R. - Oder wie menschlich es auf da Wies'n zugeht ...
Natürlich war es gestern wieder "etwas später" geworden. Dementsprechend sahen wir wohl aus, als wir kurz nach 8 Uhr morgens eilig durch den Hintereingang ins Zelt schlüpften.
"Hoffentlich ist der Schindelauer noch nicht da!"
T. hustete, blickte nach oben und lachte. Ich fragte mich, was es um diese Uhrzeit auf dieser Baustelle zu lachen gäbe und folgte seinem Blick. Vor dem Eingang der Bar hing eine Beate-Uhse-Puppe vom Zeltdach herab. Sie hatten ihr ein Seil um den Hals gebunden und das andere Ende an einen Dachbalken geknüpft. Die Puppe war nicht mehr prall gefüllt, sondern schon etwas verschrumpelt.
Vermutlich durch die Kälte der Nacht. Es ragten Gurken aus allen - von Beate Uhse eigentlich für andere Zwecke vorgesehenen - Öffnungen.
"Zeltbauer!"
T. hielt sich nicht lange mit solchen Kleinigkeiten auf.
"Das war Holgi!"
Ich peilte die Lage. "Schätze, die Gurken fallen um Neun!"
Wir zogen uns gerade um, als R. ins Zelt wankte. Er trug wie immer die gleichen Klamotten, d.h., er hatte sie vermutlich seit 5 Wochen nicht gewechselt. Seine Rechte balancierte eine angebissene Jumbo-Pizza, mit seiner Linken ruderte er wie wild und hielt dadurch sein Gleichgewicht.
Einigermaßen. Er wankte zu einem staubigen Biertisch, knallte die Pizza ohne Unterlage auf den Schmutz, rief "Ööhhh, ey, aahhrg!" und plumpste auf die Bank.
"Hallo R.!"
R. rülpste, hob seinen Kopf, sah zu mir her. Seine Augen waren glasig.
"Ahhh!" Sein Kopf fiel schwer auf die mitgebrachte Pizza. Ich hoffte, daß es eine ohne Pepperoni und Sardellen war.
"Sag' mal, wie hält der das denn aus?", fragte ich T.
"Der kommt aus Rumänien. Oder Polen."
"Na und?"
"Den hamm se als Hilfsarbeiter hierher vermietet. Arbeitet hier, schläft hier in einem versyphten VW-Bus. Waschen kann er sich nur in Kneipen, so lange die Anschlüsse im Zelt noch nicht installiert sind. Er ist nicht der Hellste, und er stinkt aus der Hose."
R. rülpste, dann kotzte er auf seine Pizza. Er stand auf, murmelte etwas und wankte aus dem Zelt.
"Schätze, der bleibt nicht mehr lange hier."
Innerlich gab ich T. recht. Am nächsten Tag war der Bus, in dem R. schlief, weg. Als ich die Zeltbauer nach R. fragte, zuckten sie nur mit den Schultern. Es war so, als ob er nie auf dieser Baustelle gearbeitet hätte ...